Heute hat Sophie* einen Coachingtermin. Bei ihrer Lehrerin, mit der sie sich regelmäßig trifft. Sie freut sich sehr darauf. Sie fühlt sich dann irgendwie ganz besonders. Die Lehrerin hat Zeit für sie. Sie fragt Sophie: "Was beschäftigt dich gerade und worüber sollten wir sprechen, damit sich das Gespräch für dich lohnt?" Auf einem Bogen sind mehrere potentielle Momente notiert: Heftführung, Ausdauer, Material vollständig und vieles mehr. Sophie wird eingeladen zu umkreisen, was gerade "richtig gut" läuft. Sie ist schnell fertig, strahlt und findet, sie sei in der "besten Klasse" überhaupt. Seit der Klassenübernachtung hätten sich einige Probleme geklärt. Ob sie irgendwas zu ihrer Fähigkeit mitzuarbeiten äußern wolle? Sophie weiß nicht so recht: "Was soll ich denn zu mir sagen?" grübelt sie. "Also ich nehme wahr, dass du richtig gut mitarbeitest," betont ihre Englischlehrerin. "Dass du jetzt einen Sprachaufenthalt anvisierst, ist einfach klasse."
Verantwortung übernehmen
Gibt es etwas, das nicht so gut läuft? In einer anderen Farbe umkreist Sophie, was nicht so gut läuft. Sie findet, dass sie nicht so konzentriert arbeitet, wie sie eigentlich gerne möchte. Entlang dem Bild einer Leiter wird sie gefragt, wo sie sich ansiedelt. „Eher so in der Mitte,“ sagt Sophie. „Aber ich möchte eine Sprosse weiterkommen, besser werden,“ reflektiert sie. "Ich lasse mich immer ablenken. Meine Freundin, die neben mir sitzt, redet viel. Wahrscheinlich deshalb, weil es ihr grad nicht so gut geht?" Sophie möchte ihre Mitschülerin weder verpetzen, noch sie brüskieren. Als konkreten Schritt, um das Ziel der Konzentration zu erreichen, wird schriftlich vereinbart, dass sie einen kleinen Abstand räumlich einbaut und dann mal sieht, wie es geht. Sophie unterschreibt die Zielvereinbarung.
Persönlichkeitsschmiede statt Gängelunterricht
Coachingeinheiten sind das Rückgrat des sogenannten Individualisierten Unterrichts (IL), der an der FES und mehreren Schulen im Landkreis derzeit läuft. Um sich gegenseitig zu inspirieren und voneinander zu lernen wurde mit Georg Kirsch, Fachberater Unterrichtsentwicklung am staatlichen Schulamt Lörrach und Jürgen Hakenjos, Schulleiter der FES Realschule eine Hospitation vereinbart. Die Coachinggespräche wurden mit Einwilligung der Schüler geöffnet und unter Kollegen reflektiert. Georg Kirsch, der dazu Pädagogen mehrerer Schulen eingeladen hatte, betonte in der Abschlussrunde, wie wichtig und wertvoll es sei, dass Menschen Wissen und Erfahrungen teilen. Was können wir tun, damit der Schüler wächst? sei eine Frage, der man sich immer als Schule stellen müsse. Es ginge darum, sich vom "Gängelunterricht hin zur Persönlichkeitsschmiede" weiterzuentwickeln.
Den neun Lehrerinnen und Lehrern hat die Hospitation an der FES viel gebracht. Dass man immer mit den Stärken anfange und sehr minimal von Schwächen spreche. Dass Schülerinnen und Schüler neben dem Lehrer eigene Unterstützersysteme ausbilden. Auch die greifbaren Symbole für das Benennen von Stärken, die Schilder, der Portfolioordner und die mobilen Schränke in den Lernräumen haben gefallen. Ach, und es sei einfach toll, Zeit für Schüler zu haben. Davon wünsche man sich häufig mehr. "Klein anfangen, jeden Schritt würdigen und in die Augen des Schülers sehen," so ermutigt Pädagoge und Schulleiter Hakenjos die Besucherinnen und Besucher.
Dorothea Gebauer
*Name geändert